Bernardo Licinio - ca. 1537 "Heimkehr des verlorenen Sohnes" Seitdem wir erfahren haben, dass Musik aus Mittelalter und Renaissance gespielt auf den Instrumenten ihrer Zeit viel interessanter, lebendiger klingt, als auf modernen Orchesterinstrumenten, haben wir begonnen, uns mit historischen Instrumenten zu beschäftigen, haben auf ihnen spielen gelernt und glauben, auch dem modernen Zuhörer mit der alten eine neue, ungewohnte Klangwelt eröffnen zu können.
Das Ensemble verfügt inzwischen über eine beachtliche Anzahl historischer Instrumente und damit über eine abwechselungsreiche Klangvielfalt; verschiedene Blas- und Saiteninstrumente ermöglichen farbenreiche Besetzungsvarianten und damit eine facettenreiche Ausgestaltung der zum Teil szenischen Konzertauftritte

Durch Anklicken einzelner Bilder können Hörproben von den Instrumenten genommen werden

Wir möchten hier einen Einblick in die Instrumentenwelt des Ensembles geben. Die nebenstehende Abbildung zeigt eine Auswahl an Blasinstrumenten: Krummhörner, Blockflöten, (Alt-) Pommer, Dulzian und Rankett. Von allen diesen Instrumenten besitzt das Ensemble ein vom Bass bis zum Diskant vollständiges Quartett. Von beinahe allen geläufigen Instrumenten, die im Wesentlichen seit dem 15. Jahrhundert in Gebrauch waren, wurden im Verlauf des 16. Jahrhunderts ganze „Stimmwerke“ gefertigt, um dem neuen Ideal eines homogenen Klangkörpers gerecht zu werden. Solche Instrumentenfamilien finden wir in dem bemerkenswerten „Syntagma Musicum“ des Michael Praetorius, einem enzyklopädischen Werk über die Musik, geschrieben zu Beginn des 17. Jahrhunderts. Der Autor erörtert aus der Sicht des Musikers und Kapellmeisters für uns heute aufschlussreich, fundamentale instrumentenkundliche und aufführungspraktische Fragen.
 
Michael Praetorius, Syntagma Musicum, Band III, Tafel XI
Ein Holzschnitt aus dem Syntagma Musicum (Band II, Theatrum Instrumentorum, Seite XI) zeigt ein Stimmwerk Pommern, wie üblich mit der Schalmei als Diskantinstrument. Charakteristisch für viele Blasinstrumente des 15. und 16. Jahrhunderts sind die „Fontanelle“ genannten Holzkapseln, die den metallenen Klappenmechanismus der Instrumente schützen sollen. Sicher hatten diese Holztönnchen auch formalästhetische Bedeutung. Angeblasen wurden Schalmei, Alt- und vielleicht auch der Tenorpommer mit Hilfe einer Lippenstütze, der sogenannten Pirouette. So wurde eine Art Windkapselansatz möglich, bei dem das Rohrblatt frei in der Mundhöhle schwingen konnte: der Ton war kräftiger, ließ sich aber auch nicht so gut formen. Vermutlich ist man spätestens im Verlauf des 16. Jahrhunderts dazu übergegangen, das Rohrblatt direkt mit den Lippen zu fassen. In arabischen Ländern wird die Schalmei (Zurna) noch heute mit Hilfe der Lippenscheibe angeblasen, wahrscheinlich stammt auch das europäische Schalmeiinstrument ursprünglich aus dem Orient.
Auf die Schalmei bauen die vielen anderen Rohrblattinstrumente auf, die Praetorius abbildete, die Dulziane, Sordune und Rankette. Bei den Krummhörnern, Rauschpfeifen, Kortholten und Cornamusen wurde das Rohrblatt unter einer Windkapsel verborgen und konnte nicht mehr direkt angeblasen werden. Auch die verschiedenen Sackpfeifen, von denen wir durch Praetorius erfahren, erzeugen ihren Ton mit Hilfe von Doppelrohrblättern.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wenn man nun in einem Holz zwei gegenläufig konische Bohrungen unterbringt, diese am unteren Ende verbindet und ein Anblasrohr anbringt, so erhält man den Dulzian. Durch diesen Einfall, den ein unbekannter Instrumentenbauer irgendwann in der Mitte des 16. Jahrhunderts in die Tat umgesetzt haben muss, verkürzt sich das Holzstück eines Instrumentes auf die Hälfte. Der wegen seiner Länge recht unhandliche Basspommer wird zum Dulzian, den man vergleichsweise bequem handhaben kann – und daraus ist schließlich das Fagott entstanden, aus der Schalmei die Oboe.

Blockflöten gibt es dem Prinzip nach schon seit undenklichen Zeiten, schon in der Steinzeit finden sich als Grabbeigaben kleine Flöten, aus Knochen gefertigt. Im Verlaufe des Mittelalters hatte sich mit fortschreitenden Fähigkeiten im Instrumentenbau die Qualität der Instrumente an die höher werdenden Erfordernisse auch des mehrstimmigen Spiels angepasst, schon im frühen 16. Jahrhundert wurden die Blockflöten zu Familien ausgebaut, entsprechend besitzt das Ensemble verschiedene Blockflöten vom Großbass bis zur „Garkleinflöte“.

Cornetto nero, der  ZINK,  Roland Wilson , 1989 Seit etwa 1500 machte ein Instrument mit zunehmendem Erfolg Karriere: der Zink, italienisch als „Cornetto“ bekannt, ein Holzblasinstrument mit Kesselmundstück, vielleicht aus einem Tierhorn entstanden, später in charakteristischer, achteckiger Form, leicht gebogen, mit schwarzem Pergament überzogen. In geübten Händen avancierte der Zink bis zum Ende des Jahrhunderts zu einem virtuos gespielten Instrument, das eine hervorragende Rolle in der Entwicklung der frühbarocken instrumentalen Sololiteratur gespielt hat. Auch der Zink bereichert das Klangspektrum des Ensembles
Gotische Harfe nach Original in Nürnberg, GNM<leer> „Harfe und Psalter spielt auf“ – diese Aufforderung zum instrumentalen Musizieren ist weithin geläufig. Und beide Instrumente kommen im Ensemble nicht zu kurz. Seit dem hohen Mittelalter sind sie in der Instrumentalmusik nachzuweisen. Wenn wir den zahlreichen Abbildungen glauben wollen, waren sie wesentlicher Kern instrumentaler Besetzungen. Die Darstellungen zeigen weiter, dass die Instrumente bereits kunstvoll gestaltet waren und von hoher handwerklicher Qualität gewesen sein müssen. Im Verlaufe des 15. Jahrhunderts bildetet sich die überall verbreitete Form der „gotischen Harfe“ aus, mit stilistischen und bautechnischen Merkmalen, wie sie vergleichbar noch bis nach 1600 anzutreffen war.
   
Mit dem Entdecken neuer Klangwelten in der Musik des 16. Jahrhunderts wurde es für den Instrumentenbau unerlässlich, nach Möglichkeiten zu suchen, den Gebrauchstonvorrat zu erweitern, zunehmend mehr Halbtonschritte waren nötig, bis gegen Ende des 16. Jahrhunderts war eine – wenn auch eingeschränkte – Chromatik gefordert. So wurden auch Möglichkeiten gesucht, die Harfe diesen Erfordernissen anzupassen, in Italien entstand die „harpa doppia“, mit parallel geführten diatonischen und chromatischen Saiten, bei der spanischen Harfe durchkreuzen sich diatonische und chromatische Saitenreihe. Die spanische Harfe, nach etwa 1550 in Spanien entstanden, besticht durch ihren auch bei tiefen Tönen vollen, sonoren Klang.Ebenso wie die gotische Harfe ist dieses Instrument in mehreren Programmen des Ensembles zu hören.
Was aber ist ein „Psalter“? In Italien heißt dieser Ursprung aller Klavierinstrumente „Salterio“, später im 18. Jahrhundert, als es dort ein regelrechtes Modeinstrument geworden war, „salterio tedescho“. In Deutschland ist es unter dem wenig schmeichelhaften Namen „Hackbrett“ heute noch in folkloristischen Bereichen anzutreffen, bis zur Erfindung des Cembalo im 15. Jahrhundert bot der Psalter mit seinem silberhellen Ton, gezupft mit Fingern oder dem Federkiel, auch geschlagen mit Klöppeln, eine unvergleichliche Klangfarbe in der Musik. Auf Abbildungen begegnet das Instrument in unterschiedlicher Form und Gestalt. Psalterium
Portativ nach Hans Memling - Winfried Görge 1995<leer>

Zu diesen Instrumenten gesellt sich auf den Abbildungen oft eine kleine, tragbare Orgel, das Portativ. Mit anderthalb oder zwei Oktaven Umfang wurde sie meist einstimmig gespielt, die eine Hand drückte die Tasten der Klaviatur, während mit der anderen Hand der rückwärtig angebrachte Blasbalg bedient werden musste. Da kein Original dieses originellen Instrumentes erhalten ist, erfolgte der Nachbau des Ensembleinstrumentes nach Hans Memling (1440-1494), der auf seinen Bildern vielfach Instrumente mit nachvollziehbarer Detailtreue wiedergegeben hat.

 

Eine besondere Stellung in der Musik nimmt seit dem hohen Mittelalter die Fiedel ein. Streichinstrumente waren die instrumentalen Begleiter der fahrenden Sänger ebenso wie die der Bierfiedler in der Taverne. Wann zum ersten Mal der Streichbogen auftritt, lässt sich nicht mehr mit Sicherheit sagen – die Fiedel bzw. Geige ist sicher eines der ältesten europäischen Kunstinstrumente. Auf vielen Abbildungen sind Streichinstrumente Teil der instrumentalen Ensembles, spätestens um 1500 fortentwickelt zur Lira da bracchio werden sie, in der Hand Apollos oder Orpheus’, zum Symbol höherer künstlerischer und geistiger Sphären. Fidel und Rebec werden im Ensemble gespielt.

Auch die Instrumente des fahrenden Volkes, der Spielleute und Vaganten, der Bettler und Bauern sind in verschiedenen Programmen des Ensembles zu hören. Sackpfeife und Drehleier spielten zum Tanzvergnügen auf, sie sind dem einfachen Volk unverzichtbare Begleiter zu Lustbarkeiten aller Art gewesen. Irgendwann im 11. oder 12. Jahrhundert begann ihre Geschichte in der abendländischen Gesellschaft, zuerst als durchaus hochgeschätzte Instrumente auch bei Hofe, später aber, im Verlauf des 15. Jahrhunderts, als die mehrstimmig polyphone Musik modern wurde, verloren die Bordun - bestimmten Instrumente Drehleier und Dudelsack ihre gesellschaftliche Stellung und erhielten attributive Symbolkraft für rustikale Szenerien – seit Pieter Breughel wissen wir: kein ländliches Fest ohne den Sackpfeifer.
Auch heute noch geht von diesen Instrumenten eine besondere Wirkung aus – die Konnotation mit der ländlichen Sphäre ist uns nicht fremd. Der Dudelsack wird heutzutage oft und allzu gerne mit Schottland verknüpft, weil er dort noch bis in die heutigen Tage gespielt wird. Er ist aber in alle Teilen Europas in vielfältigen lokalen Erscheinungsformen in Gebrauch gewesen.
Drehleier und Sackpfeife<leer> Mit der Vielzahl unserer Instrumente können wir auch einer Vielzahl von unterschiedlichen Gelegenheiten, vom Konzert zum Fest, vom rustikalen Mahl bis zum fürstlichen Bankett in vielen, individuell geplanten Spielarten gerecht werden. Die Musik alter Zeiten lässt die Frage der Besetzung fast immer offen. Das heißt aber nicht, dass sie beliebig war – es gibt genug Beispiele von Inszenierungen mit besonderer Klangabsicht. Spätestens im 15. Jahrhundert gab es zudem die deutliche Trennung zwischen der Alta und Bassa – Capella, der lauten und der leisen Musik, die jeweils nach besonderen Kriterien organisiert waren. Wir bemühen uns in unseren Projekten, diesen vergangenen Klangwelten so nachzuspüren, wie wir glauben, sie aus den vorliegenden Quellen erschließen zu können.
 
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Bild: Brevier der Isabella von Spanien, ca. 1480. Musik: Dunstable - O Rosa bella Bransle Double, bei M. Praetorius, Sackpfeife, Harfe Gelobet seist du, Psalterium, Harfe, Flöte Secondo Ballo - Allegri 1614 Krummhörner Flöten Rankette Briquet - gotische Harfe und Psalterium Dunstable - O Rosa bella Das Jägerhorn